Mixtape.
Willkommen beim neuen Jugend- und Stadtteilhaus tesch!

Hamburg Altona
Max-Brauer-Allee 114.

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Erinnern

Unser Jugend- und Stadtteilhaus trägt den Namen des antifaschistischen Widerstandkämpfers Bruno Camillo Tesch.

 

Bruno Tesch lebte als Kind in Italien und kam 1925 mit 12 Jahren nach Hamburg. Mit 16 Jahren begann er eine Ausbildung zum Klempner und besucht die Berufsschule in der Museumsstraße. Er engagierte sich schon in seiner Jugend politisch in den Jugendverbänden der Sozialdemokratie und später im kommunistischen Jugendverband.

Am 17. Juli 1932, an dem Tag welcher heute auch als „Altonaer-Blutsonntag“ bezeichnet wird, marschierten die Faschisten der SA (Sturmabteilung) durch das vorwiegend von Arbeiter*innen bewohnte „rote Altona“. Diese Aktion war gezielt als Provokation der Altonaer Bevölkerung gedacht. Das gemeinsame Ziel von Bruno und vielen anderen Antifaschist:innen war es, den Aufmarsch zu verhindern. Als es zu Auseinandersetzungen kam, griff die preußische Polizei, die zu der Zeit bereits viele Nazis in ihren Reihen hatte, mit Waffengewalt ein. In den nächsten Stunden starben 16 unschuldige Menschen durch willkürliche Schüsse der Polizei.

Im Jahr 1933, nach der Machtübergabe an die Nazis, werden Bruno Tesch (im Alter von 20 Jahren) sowie drei weitere Antifaschisten in einem politischen Schauprozess für die Geschehnisse des 17. Juli verantwortlich gemacht und zum Tode verurteilt. Am 1. August 1933 werden Bruno Tesch, Walter Möller, August Lütgens und Karl Wolff mit dem Beil hingerichtet.

In Erinnerung an Bruno Tesch und an die antifaschistische Geschichte Altonas haben wir das Tesch benannt.

Der Altonaer Blutsonntag 1932

 

Der 17. Juli 1932 ging als „Altonaer Blutsonntag“ in die Geschichtsbücher ein. An diesem Tag marschierten 7000 Nazis durch Altona. Diese versammelten sich zunächst zwischen Altonaer Bahnhof und Rathaus und liefen in Richtung Ottensen dann Bahrenfeld. Am Nachmittag kamen sie nach Altona Altstadt. Dabei riefen sie antisemitische und faschistische Parolen und provozierten damit die Arbeiter*innen und Erwerbslosen, die in diesem Viertel hier hauptsächlich gewohnt haben. Sie schlugen Anwohnnde und griffen vermeintlich sozialdemokratische und kommunistische Menschen an. Als sie an der mittlerweile nicht mehr existierenden Straßenkreuzung Große Marienstraße Ecke Schauenburgerstraße beim heutigen Walter Möller Park entlang liefenkam es zu einer Auseinandersetzung. Was genau in diesem Moment passiert ist, ist auch heute noch historisch umstritten. Sicher ist, es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Nazis, ihrer Gegner sowie einer kleinen Gruppe der preußischen Polizei, welche vergeblich versuchte zu intervenieren. Es fielen Schüsse, zwei SA-Männer kamen dabei ums Leben. Die Nazimeute zog sich aus Altona-Altstadt geschlagen zurück.

Doch die Gefahr war nicht gebannt: Eine halbe Stunde später, nachdem die Auseinandersetzungen längst beendet waren und die Faschist*innen sich wieder in der Nähe des Bahnhofs zur Abfahrt sammelten, strömte immer mehr Polizei nach Altona-Altstadt. Zwei-einhalb Stunden schießen Polizeistaffeln der preußischen und altonaer Polizei mehr als 5000 Kugeln auf die Straßen Altonas. Sie schießen auf Menschen auf den Straßen, stürmen Hinterhöfe, schießen auf offene Fenster. Erst um ca. 19:00 endet der Spuk, was bleibt sind 70 Verletzte, 90 Verhaftungen und 16 ermordete Nachbar*innen.

Anna Raeschke, 34 Jahre, Hausfrau
Erna Sommer, 19 Jahre, Dienstmädchen
Frau Miersch, 25 Jahre, Ehefrau
Karl Rasch, 28 Jahre, Arbeiter
Franz Kalinowski, 48 Jahre, erwerbsloser Arbeiter
Emma Würz, 33 Jahre, Hausfrau
Emil Fühler, 72 Jahre
Franz Schmitz, 79 Jahre
Walter Jackisch, 46 Jahre
Hermann Ragotski, 48 Jahre, Arbeiter
Adolf Hagen, 35 Jahre, Maurer, SPD-Mitglied
Emil Fydrich, 29 Jahre, Seemann, KPD,-Mitglied
Erwin Gess, 23 Jahre, Arbeiter
Emil Kerpl, 57 Jahre, Anstreicher, parteilos
Walter Gehrke, 23 Jahre, Bote
Helene Winkler, 44 Jahre, Hausfrau

Der Altonaer Blutsonntag ist wenig erforscht: Viele Opfer sind vage bekannt. Eine einheitliche Erzählung über die konkreten Ereignisse als auch ein zentrales Archiv, einen Ort der Geschichten gibt es nicht. Viel Wissen verdanken wir mutigen Antifaschist*innen, Historiker*innen, Nachbar*innen, Menschen in den Stadtteilarchiven die ihre Zeit nutzten, alte Quellen auswerteten damit die Geschichte unvergessen bleibt. Besonders ist dabei der französische Resistance-Kämpfer Leon Schirmann zu nennen. Er trug aus Archiven Zahlreiche Quellen zusammen und fasste diese in seinen zwei Büchern „Der Altonaer Blutsonntag, 17. Juli 1932 – Dichtungen und Wahrheit“ und „Justizmanipulationen: der Altonaer Blutsonntag und die Altonaer bzw. Hamburger Justiz 1932–1994“ welche 1994 und 1995 erschienen zusammen. 

Wir als Tesch veranstalten regelmäßig Gedenkveranstaltungen am altonaer Blutsonntag. Ein Bericht von unserem nachbarschaftlichen Gedenken 2022 findest du hier. Unser Gedenken 2023 wird hier mit einem Video dokumentiert.

Mehr:

  • Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte 2022 ein 40-minütigen Podcast zu den Geschehnissen am Altonaer Blutsonntag.
  • Unser Nachbar, der Autor Robert Brack arbeitet den Altonaer Blutsonntag künstlerisch in seinem Roman („Blutsonntag“) auf.
  • Deutschlandfunk Beitrag (5 Minuten) über den Altonaer Blutsonntag.
  • Kurzbeitrag des NDR (5 Minuten) aus dem Jahre 2010.

 

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Nach dem Blutsonntag: Der Preußenschlag und Die Blutsonntagprozesse

 

Cornelia Kerth, Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) beschreibt das Nachspiel des Altonaer Blutsonntags treffend:

„Politisch genutzt hat das Massaker auf jeden Fall den Faschisten: Mit dem „Preußenschlag“ wurde nur 3 Tage später die letzte sozialdemokratisch geführte Regierung im Reich durch Reichskanzler von Papen abgesetzt, das Ende der Weimarer Republik war eingeläutet. Am 14. Juli hatte Hindenburg eine entsprechende Notverordnung unterzeichnet, der Blutsonntag lieferte den Vorwand. Am 31. Juli 1932 erzielte die NSDAP bei den Reichstagswahlen das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte.
Für die politisch Verantwortlichen in Schleswig hingegen stand schon am selben Abend fest: Kommunisten waren es. Aus Fenstern und von Dächern hätten sie geschossen, die Polizei habe sich mit ihrer wilden Schießerei nur verteidigt. Augenzeugen hatten weder an Fenstern noch auf Dächern Schützen gesehen. In den Wohnungen der Toten fanden sich keine Waffen.
Schon unmittelbar nach den Ereignissen macht sich die Justiz – 1932, die Justiz der Weimarer Republik – die Version des schleswig-holsteinischen Regierungspräsidenten Abegg zu Eigen, der von einem „kommunistischen Feuerüberfall“ sprach. Bereits in diesen ersten Untersuchungen wird das „kommunistische Komplott“ um eine August Lütgens untergeschobene Bleistiftskizze konstruiert, werden Lügen und Falschinformationen als Aussagen zur Akte genommen. Lütgens, Möller, Tesch und Wolff werden schon im Herbst 1932 vorübergehend in Untersuchungshaft genommen, allerdings wird das Verfahren später eingestellt.
Gleich nach der Übertragung der Macht an die Faschisten wird der Faden wieder aufgenommen und am 2. Juni 1933 werden August Lütgens, Walter Möller, Karl Wolff und Bruno Tesch vom Sondergericht Altona zum Tode verurteilt, 6 weitere Angeklagte werden zu langen Haftstrafen verurteilt, drei Freigesprochene direkt in ein Konzentrationslager verschleppt. Es folgen 6 weitere Prozesse mit weit mehr als 100 Angeklagten, von denen viele zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden.
Keinem der Verurteilten war eine Täterschaft nachzuweisen. Alle wurden als Beteiligte an dem „kommunistischen Komplott“ verurteilt, das auf Grundlage gefälschter Beweise und gekaufter Zeugenaussagen konstruiert worden war. Die ersten Beweisfälschungen geschahen noch in Verantwortung der Staatsanwaltschaft der Weimarer Republik. Die Ergebnisse der „Voruntersuchung“ vom Herbst 1932 waren die Grundlage der Todesurteile gegen die Hauptangeklagten.
Am 1. August 1933 wurden August Lütgens, Walter Möller, Karl Wolff und Bruno Tesch auf dem „Weiberhof“ des Gefängnisses Altona mit dem Handbeil ermordet. Es war die erste Hinrichtung von politischen Gegnern des Naziregimes. Allein in Hamburg sollten mehr als 200 folgen.
Leider galt für die Justiz in der Zeit nach 1945 in weiten Teilen der Leitsatz, den der vormalige Blutrichter und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Filbinger, als Rechtfertigung seines verbrecherischen Tuns dem Publikum kund tat: Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein. In 14 Fällen lehnen Hamburger Gerichte die Wiederaufnahme der Verfahren zum Altonaer Blutsonntag ab.
Immer wieder nahmen Hinterbliebene und die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes den juristischen Kampf auf. Wie in Sachen Fiete Schulze, an den heute endlich und wenigstens ein Stolperstein in Billstedt erinnert, und in vielen anderen Fällen.
Erst die akribischen und Zeit raubenden Studien des pensionierten Lehrers und juristischen Laien Léon Schirmann führten schließlich zum Erfolg: Am 13. November 1992 wurde das Urteil gegen Lütgens, Möller, Wolff, Tesch und ihre Mitangeklagten aufgehoben. Am 21. Juni 1996 und am 29. Juni 1998 wurden die Urteile des zweiten und dritten Prozesses aufgehoben.
Die Urteile der drei späteren Prozesse sind bis heute nicht aufgehoben, Urteile der Sondergerichte fallen nicht unter das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile. Diese Opfer der Nazi-Justiz sind bis heute nicht rehabilitiert.“
(Entnommen aus: dasjahr1933.de)

Die Altonaer Vier – Widerstandskämpfer der ersten Stunde.

 

Alle vier wurden Opfer der Blutsonntagsprozesse. Schauprozesse des Jahres 1933, in welchem der faschistische Apparat ihre Feinde aufgrund fadenscheiniger „Beweise“ zum Tod verurteilte. Sie waren die ersten, viele weitere sollten folgen.

Karl Wolff,

 

wurde nur 21 Jahre und 318 Tage alt. Karl, Sohn eines Schmieds und eines Dienstmädchens, wohnte in Hamm. Er war Schuhmacher und wurde am 17. Juli in einem Hinterhof in Altona festgenommen.

„Wenn es eine Gerechtigkeit gebe, dann würden wir nicht hingerichtet werden. (…) Das Schicksal will es leider anders“ – Karl Wolff in einem Brief an die Mutter seines Freundes.

August Lütgens,

 

wurde nur 35 Jahre und 228 Tage Alt. August, ältester von zwölf Kindern wurde in Lübeck in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie geboren. Der Vater war Metallarbeiter, die Mutter Wäscherin. Nach der Schulzeit heuerte er als Schiffsjunge auf einem Segler an und wurde Seemann. Mit 16 Jahren trat er der Seeleutegewerkschaft und später der Sozialdemokratischen Partei bei.

Er beteilligte sich als Matrose am ersten Weltkrieg, doch ihm wurden die imperialistischen Ambitionen des deutschen Kaiserreichs mehr und mehr bewusst. Er wurde zum Kriegsgegner. 1918 – Im Jahr der Hoffnung – Meuterte er in Kiel und startete so mit seinen Genossinnen die Novemberrevolution. Später flüchtete er ins Exil in die Sowjetunion und konnte erst 1931 zurück nach Deutschland kommen, wo er Leiter des Roten Frontkämpferbundes Altona wurde.

„Liebe Kinder, wenn ihr diesen Brief erhaltet, ist euer Papa nicht mehr, dann wurde er erledigt, laut Urteil, also wir sollten uns nicht mehr sehen, aber wenn ihr größer seid und die Weltgeschichte studiert habt, dann werdet ihr begreifen, was euer Papa war, warum er kämpfte und starb, auch werdet ihr begreifen, warum euer Papa so und nicht anders handeln konnte, nun lebt wohl und werdet Kämpfer. Es grüßt euch euer Papa.“ – schrieb August Lütgens in seinem letzten Brief an seine Kinder.

Zu Augusts Geschichte gehört leider auch, dass die Familie Lütgens  nach seinem Tode ein weiteres Mal in die Sowjetunion emigrierte, wo seine Frau Lisa und ihr Sohn, wie viele deutsche kommunistische Emigranten von der stalinistischen Regierung in Lager nach Kasachstan verschleppt wurden, wo beide umkamen.

Walter Möller,

 

wurde nur 28 Jahre und 185 Tage alt. Walter kam auch aus einer Arbeiterfamilie und wohnte im Hamburg Eppendorf. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Packer, Beifahrer und Gelegenheitsarbeiter. Ab 1931 war er arbeitslos. Er war Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland und der Eppendorfer „Antifaschistischen Aktion“.

Bruno Guido Camillo Tesch,

 

wurde nur 20 Jahre und 101 Tage Alt. Bruno wurde in Kiel geboren, ist aber bald nach Altona in die Schauenburger Straße (heute Schomburgstraße) Umgezogen. Er war Klempnerlehrling und schon früh in der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ aktiv. Nachdem die SPD aber in der Weimarer Republik für die voranschreitende Wiederbewaffnung und den Bau von Kriegsschiffen stimmte, kehrte der junge Bruno der den Sozialdemokraten nahestehenden SAJ den Rücken und trat 1931 in den „Kommunistischen Jugendverband Deutschland“ ein. Dort beteiligte er sich an Lehrlingsstreiks und sammelte für die Küchen der internationalen Arbeiterhilfe.

Am 17. Juli 1932 war Bruno bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch durch Altona dabei und verhalf anschließend eine Mutter mit zwei ihrer Kinder bei der Flucht vor dem Kugelhagel der Polizei, in dem er sich mit ihnen in einen Hauseingang rettete.

„Liebe Mutter! Nun ist es endlich soweit. Die Begnadigung ist abgelehnt. Wenn du diesen Brief bekommst, dann lebe ich nicht mehr. Liebe Mutti, dass ich dir so einen Kummer bereiten musste, das schmerzt mich tief. Du glaubst es gar nicht. Ich bitte dich herzlich, nehme es nicht so schwer, tue es (nicht) mir zuliebe. Siehe, ich nehme es auch nicht so schwer. (…) Liebste Mutti, ich bitte dich, überwinde dies um meinetwegen. Du mußt leben bleiben um meine Unschuld ans Tageslicht zu bringen. Das ist mein letztes Vermächtnis an dich, du mußt es an den Tag bringen, was für ein grässlicher Justizmord hier verübt wurde. […] Es ist vielleicht besser, als wenn ich Jahre im Zuchthaus gesessen hätte. Mein Leben wäre dann doch verpfuscht.

Du hast vielleicht manchmal gedacht, dass ich dich nicht liebe, aber ich konnte meine Liebe nicht zeigen. Es lag mir nie. Aber ich habe dich sehr geliebt. Verzeih mir bitte, wenn ich manchmal recht lieblos zu dir war, aber es war Nervosität. […]

Also ich bitte dich herzlich, sei tapfer, ich weiß du wirst es durchdringen, denn du hast ja etwas, wofür du kämpfen musst. (…) Es küsst dich liebe Mutti zum letzten mal dein dich innig liebender Sohn Bruno. (…)„